Ein Verwaltungsarchiv aus dem 2. Jahrhundert nach Christus

P. Köln inv. 328


Ein Mann namens Petaus bekleidete in den 80er Jahren des 2. Jahrhunderts nach Christus im Dorf Ptolemais Hormu, das am Rande der Oase Fayum lag, den Posten des Dorfschreibers, was in etwa dem Posten eines Bürgermeisters entsprach. Petaus hatte nachgewiesen, über ein bestimmtes Vermögen zu verfügen, und war dann für diese Stellung ausgelost worden. Zu seinen Aufgaben gehörte es unter anderem, die Register der Einwohner und des Bodenbesitzes aktuell zu halten und die Instandhaltung der Deiche und Dämme zu überwachen.

Als der höchste Verwaltungsbeamte Ägyptens, der Praefectus Aegypti, das Fayum besuchte, mußte Petaus dafür sorgen, daß genügend Lebensmittel vorhanden waren etc. In der wohlorganisierten Hierarchie des römischen Verwaltungsapparates stand der Dorfschreiber Petaus zwar auf einer niedrigen Stufe, hatte aber mit den angesprochenen Aufgaben durchaus eine verantwortungsvolle Tätigkeit. Aus seiner Amtszeit ist ein ganzes Urkundenarchiv auf uns gekommen, durch das wir über Petaus so gut informiert sind.

Unter diesen Papyri, die zu einem großen Teil in der Kölner Papyrussammlung, zu einem anderen Teil in der Sammlung der University of Michigan in Ann Arbor aufbewahrt werden, befindet sich das Papyrusblatt, das uns das Geheimnis des Petaus enthüllt (P. Petaus 121): Der Dorfschreiber Petaus konnte nicht schreiben. Das Papyrusblatt ist ein “Schmierpapier”, auf dem Petaus die von ihm immer wieder auf offiziellen Schriftstücken verlangte Unterschrift geübt hat: Πεταῦϲ κωμογραμματεὺϲ ἐπιδέδωκα “Ich, Petaus der Dorfschreiber, habe eingereicht”. Mit ungeübter Hand hat Petaus diesen Satz 12mal untereinander geschrieben und dabei jeweils die vorhergehende Zeile kopiert. Ab Zeile 5 nämlich hat er einen Fehler, der ihm in dieser Zeile unterlaufen war, bis zum Ende seiner Übung mitgeschleppt. Ab Zeile 5 hatte er aus Versehen nur noch πιδέδωκα statt des richtigen ἐπιδέδωκα geschrieben.

Offensichtlich hat dem Petaus sein Unvermögen in einer Fähigkeit, die wir als Voraussetzung seiner Arbeit ansehen würden, nicht geschadet. Soweit wir aus seinem Archiv feststellen können, hat er seine Amtszeit von drei Jahren durchgehalten. Zuverlässige Berufsschreiber haben ihm zur Seite gestanden. Er leistete jeweils nur die Unterschrift, die er ja geübt hatte.